Oder: Welches Franzbrötchen ist das ökologisch Beste?
In Hamburg kreisen Gespräche über das Franzbrötchen oft um die Frage, welches das Beste sei. Bei unseren Wettbewerben sind von Anbeginn die Kriterien „Aussehen“ und „Geschmack“ entscheidend. Und die bisherigen Wettbewerbsgewinner betonten immer wieder: „Die Butter macht den Unterschied“.
Im Alltag liegen auch andere Kriterien genauso nahe: Ist der Bäcker nett? Stammt das Backwerk aus industrieller Herstellung? Muss ich weit gehen, um eines kaufen zu können?
Ein immer wichtiger werdendes Kriterium ist der ökologische Fußabdruck, den wir mit unserer Ernährung mal mehr mal weniger gedankenlos auf die Erde stapfen. Aus diesem naheliegenden Grund ist 2018 eine studentische Arbeitsgruppe an der Leuphana Universität Lüneburg einem Aspekt nachgegangen, der aus ökologischer Sicht in die Bewertung eines „besten Franzbrötchens“ einfließen müsste.
In ihrer Hausarbeit „Stoffstromanalyse für ein Franzbrötchen“ vergleichen sie vegane Franzbrötchen mit „klassischen“ Exemplaren.
Dieser Vergleich ist nicht so einfach aufgestellt, wie es vielleicht auf ersten Blick scheint: „Vegan ist ökologischer“, dachte ich, „aber das bisschen Butter wird ja wohl nicht den Unterschied machen.“
Beim Lesen durfte ich lernen.
Zunächst muss über eine geeignete Methode für die Fragestellung entschieden werden. Nach einem Vergleich der Methoden zu Ökobilanz, CO2-Fußabdruck und Stoffstromanalyse entschieden die AutorInnen sich für das „Life Cycle Assessment“ (LCA) als genormte Ausprägung der Stoffstromanalyse. Das ist ein „systemanalytisches Verfahren zur Erfassung von Energie-, Stoff- und Materialströmen, die (…) mit Produkten und Verfahren verbunden sind“, wie in der Hausarbeit zu lesen ist. Das LCA kann man neben industriellen oder handwerklichen Produkten auch auf Lebensmittel anwenden. Dabei werden möglichst alle Stoffe und Energiezuflüsse zusammengetragen und auf ein CO2-Equivalent (Kg CO2eq) umgerechnet, wobei auch Transporte und Abfälle einbezogen werden. Dafür konnten die Studierenden auf eine spezielle Software und auf sogenannte ecoinvent-Tabellen zurückgreifen – ermittelte Durchschnittswerte für diverse Produkte. Allerdings würde man den Wald vor lauter Bäumen und Unterholz nicht sehen, wenn man nicht die zahlenmäßig kleinsten Bestandteile aussortieren würde. So entfiel z.B. wegen Geringfügigkeit der Zimt aus der CO2-Bilanz.
Der für die Hausarbeit wichtige Unterschied: Das vegane Rezept ersetzt Butter durch Rapsöl sowie Milch durch Sojadrink. Die Ergebnisse lassen sich auf folgende Fragen zuspitzen:
– Welcher Unterschied ergibt sich hinsichtlich der errechneten CO2-Equivalente?
– Wie relevant ist dieser Unterschied für das Gesamtprodukt?
Das Erstaunliche: Die AutorInnen haben nicht den Geschmack der Ergebnisse ihrer Experimente verglichen! Zumindest schreiben sie davon in der Hausarbeit nichts.
Das Nebensächliche: Mit 0,1kg CO2eq spielt Milch genauso wie der Sojadrink keine große Rolle.
Das Verblüffende: Die aufgewendete Energie von 0,3kg CO2eq für 12 Franzbrötchen spielt insgesamt nur eine untergeordnete Rolle. Schon der Weizen geht mit 0,4kg CO2eq stärker in das Ergebnis ein.
Das Wesentliche: Butter bringt mit 2,4kg CO2eq den mit Abstand größten Anteil auf die eq-Waage, während das Rapsöl (lokale Produktion vorausgesetzt) ein CO2eq-Gewicht von nahezu Null einbringt.
Also auch hier: Die Butter macht den Unterschied.
Vegane Franzbrötchen können unser ökologisches Gewissen durch einen fast 70% geringeren Fußabdruck erleichtern als die klassischen Franzbrötchen – 1,1kg gegenüber 3,5kg CO2eq bei 12 Franzbrötchen.
Daraus ergibt sich unser Hinweis an die Bäcker und Bäckerinnen: Entwickelt vegane Franzbrötchen-Rezepte, die den nächsten Geschmackswettbewerb gewinnen! Das wäre zumindest für Hamburg mit seinen jährlich Millionen Franzbrötchen ein erheblicher und nicht zuletzt symbolischer Beitrag zur ökologischen Transformation. Dass bei einer studentischen Hausarbeit eine vollständige Richtigkeit nicht gewährleistet werden kann, sollte an dieser Stelle noch gesagt werden. Mein Dank geht dennoch an Euch für diese Arbeit, die ja noch verifiziert werden kann! (Die Hausarbeit kann unter (Link) käuflich erworben werden.)
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